Meine Phasen Der Heilung
12.02.24
Heilung ist nicht linear. Auch wenn das Leben anderer Menschen von außen meistens so einfach aussieht, sehen wir nie die ganze Geschichte. Jeder hat seine eigenen Päckchen zu tragen, und jeder durchläuft verschiedene Phasen. Heute möchte ich etwas tiefer auf meinen eigenen Prozess eingehen, damit du besser verstehen kannst, dass auch ich kein „plötzliches Wunder“ erlebt habe. Heilung bedeutet, in sich selbst zu investieren.
Phase 1: Völlige Entfremdung – was heute Normalität für viele ist. Bevor der Unfall mein Leben erschütterte, hatte ich mich fast vollständig verloren. Zu diesem Zeitpunkt erschien mir das nicht so, aber ich war überhaupt nicht bei mir selbst mit meiner Aufmerksamkeit. Meine Arbeit hatte mich überfordert, weil es am Arbeitsplatz ziemlich unstrukturiert war und meine Vorgesetzte plötzlich weg war... und damit Aufgaben bei mir landeten, für die ich nie ein Training bekommen hatte und die mich überforderten. In meinem sozialen Umfeld war ich schon immer der Anziehungspunkt für Herausforderungen anderer – ich hatte immer ein offenes Ohr und Zeit. Wenn es anderen dann gut ging, ging es mir auch gut. Ich konnte nicht einmal sagen, was ich wollte (welches Restaurant, welche Aktivität, etc.) – ich war glücklich, wenn es anderen gut ging. Wenn es anderen nicht gut ging, musste ich erst dafür sorgen, dass sie sich wieder entspannen konnten. Dann auch war ich entspannt und erlaubte mir, mich gut zu fühlen. Meine Aufmerksamkeit galt ausschließlich anderen, das Äußere schien wichtiger als mein Inneres. Ich verlor den Kontakt zu mir selbst, nahm nur noch wahr, was um mich herum geschah. Eine Reflexion meiner selbst fand nicht statt – ein Zustand, den ich fälschlicherweise für normal hielt.
Phase 2: Der Umbruch. Der Unfall markierte eine dramatische Wende: Plötzlich musste ich alle Aufmerksamkeit von der Außenwelt abziehen. Mein Körper schlug Alarm, ein Signal, das mir bis dahin verborgen geblieben war. Es folgte eine lange Phase der Isolation. Ich war wie gelähmt, gefangen in Panik, und suchte verzweifelt nach Wegen zurück in mein altes Leben. Ich suchte so viele Therapeuten und Ärzte auf, wie möglich. Irgendjemand musste doch die Wunder-Pille für mich haben. Ich wollte zurück in mein altes Leben. Um jeden Preis. Diese Zeit war geprägt von Verdrängung.
Phase 3: Wissen aneignen. Doch dann begann eine Phase der Lösungssuche. Die Reise führte mich zu Therapeuten in den USA, ich las Bücher und sammelte Wissen über meinen Zustand, das Gehirn und das Nervensystem. Ich absolvierte Kurse und Coachings, um zu lernen und zu verstehen. In dieser Zeit entdeckte ich die Meditation und die Arbeit mit Joe Dispenza, was den Beginn meiner inneren Auseinandersetzung markierte. Trotz anhaltender körperlicher Beschwerden erlebte ich erste Erfolge, wie verbesserte Blutwerte und eine verzögerte Reaktionszeit.
Phase 4: Wissen anwenden. In der darauffolgenden Phase vertiefte ich mich weiter in die Erforschung meiner Gefühle und deren Zusammenhang mit körperlichen Reaktionen. Ich erkannte, dass nicht alle Symptome direkt auf den Unfall zurückzuführen waren; viele waren vielmehr Stressreaktionen. Es gab quasi zwei Bestandteile: 1. die strukturelle Verletzung des Nervensystems durch den Unfall und 2. die Stressreaktion aufgrund der Beeinträchtigung meines Körpers deswegen. Ich sah, dass meine Emotionen und Gefühle einen riesigen Einfluss auf mich hatten. Nun setzte ich das zusammen: Meine Gefühle und Gedanken hatten einen riesigen Einfluss auf mein Wohlbefinden. Und ich lernte mich selbst viel mehr kennen.
Phase 5: Akzeptanz von dem, was ist. Durch bewusste Beschäftigung mit meinen Emotionen und deren Regulierung trat ich in einen Dialog mit mir selbst, lernte mich kennen und akzeptierte meine Situation. Die Akzeptanzphase leitete einen Wandel ein. Ich nahm meine Situation als gegeben wahr. Ich hielt mich mehr und mehr im geistigen Zustand von „es ist, wie es ist... was mache ich jetzt aus meinem Tag“ auf, als in einem Zustand von „ich muss das jetzt wegbekommen, damit ich wieder leben kann“. Ich begriff, dass das JETZT mein Leben ist und dass ich deswegen auch nur im Jetzt leben konnte. Was auch immer die Umstände waren, ich musste sie akzeptieren.
Phase 6: Shift der Perspektive. Dabei gibt es eine wichtige Sache zu beachten: Die Situation war nach wie vor sehr schwierig und unschön, dennoch gibt und gab es in jedem Moment meines (und deines) Lebens auch Momente und Umstände, die positiv und voller Fülle sind. Essen, was ich genießen konnte. Blauer Himmel mit Sonnenschein. Ein bequemes Sofa. Ich entschied mich bewusst für Wohlbefinden und positive Gedanken, unabhängig von meinem körperlichen Zustand. Ich konzentrierte mich auf das, was gut lief, statt nur Probleme zu sehen. So auch mit meinen Gefühlen. Ich trainierte positive Gefühle, wie einen Muskel. Ich erinnerte mich an schöne Situationen aus meinem Leben, tauchte tief in die glücklichen Gefühle dieser ein und erlebte das alles, als ob ich noch einmal dort war. Das war natürlich an manchen Tagen einfacher als an anderen... aber auch da pendelte ich eben wieder zwischen Akzeptanz und anderen Phasen hin und her.
Phase 7: Bewusste Kreation. Diese Entscheidung führte zur Entwicklung einer Vision für mein Leben, geprägt von Visualisierung, Konzentration auf das Positive und Dankbarkeit für das, was trotz allem vorhanden war. Ich begann, diese Vision aktiv zu verfolgen und wieder mit der Welt in Kontakt zu treten – als jemand, der an seiner Zukunft baut. Ich hatte mich hier selbst mehr kennengelernt, wusste, was ich nicht mehr wollte, und arbeitete daran, das auch so zu leben. Damit zog ich andere Menschen in mein Leben. Manche Freunde kamen wieder in mein Leben, andere gingen. Fakt war aber, ich trat wieder mit der Welt in Kontakt. Als mein neues Ich.
Phase 8: Andauernde Vision. Die letzten Phasen laufen in der Regel heute noch nebeneinander her. Ich akzeptiere, was ist, ich konzentriere mich auf die Fülle in meinem Leben, und ich bin mir bewusst, wie ich sein will. Es ist ein Prozess des „Verlernens“ alter Muster und „Erlernens“ neuer Muster. Und dieser Prozess wird wohl mein ganzes Leben weiter und weiter anhalten und sich fortsetzen.
Eine wichtige Anmerkung habe ich noch: Ich hatte alles schon vorher gelesen, Akzeptanz, Vergebung, Annahme usw. … aber ich musste diesen Prozess selbst durchlaufen (ähnlich wie einem Trauerprozess), um zu verstehen und „Wissen“ in „Erfahrung“ zu verwandeln. Jeder Heilungsprozess ist individuell und nicht linear. Es gibt ekien Abkürzung und Überholspur. Es gibt Tools, es gibt Guides, die uns helfen können. Aber letztendlich liegt alle Arbeit immer bei uns selbst.
Ich hoffe, du findest in meiner Geschichte Inspiration für dich und deinen Prozess. Das Leben verläuft in Wellen…und wir müssen nicht immer alles gut, schön, positiv und wunderbar finden. Es gibt herausfordernde Phasen, die wir genauso auch annehmen dürfen. Aber auch die machen unser Leben zu dem, was es ist. Niemals wären wir glücklich, wenn wir nicht Unglück erlebt hätten. In diesem Sinne: spüre dich, spüre, dass du am Leben bist. Es ist eine wunderbare Reise.